Wer war Irene Harand?

Wer war Irene Harand?


Im öffentlichen Raum in Wien begegnen uns immer wieder Namen berühmter Persönlichkeiten. Da gibt es etwa die Falco-Stiege im 5. Bezirk oder den Helmut-Qualtinger Hof in Döbling. Wer diese beiden Herren waren, muss man nicht erklären. Im ersten Wiener Gemeindebezirk gibt es aber auch etwas versteckt in der Judengasse einen Gemeindebau, der den Namen Irene-Harand-Hof trägt.

Wenn ich diesen Gemeindebau im Zuge meiner Führungen vorstelle und frage, ob schon einmal jemand den Namen Irene Harand gehört hat, blicke ich oft in ratlose Gesichter. Kaum jemand hat diesen Namen schon einmal gehört. Dabei handelt es sich um eine ganz besondere Frau.

Irene Harand hat 1935 ein unglaublich interessantes und sehr wichtiges Buch geschrieben, das gerade in Zeiten von “Fake News” aktueller denn je erscheint. Und sie gehörte nach 1945 nicht zu jenen Menschen, die sagten, dass man doch nicht ahnen konnte, was Hitler vor hat. Irene Harand verfasste mit dem Buch “Sein Kampf” eine Antwort an Adolf Hitler und räumte darin mit antisemitischen Stereotypen und Fälschungen auf und machte darin auf die drohenden Gefahren des Nationalsozialismus aufmerksam. Bereits im Herbst 1933 hatte sie mit Moriz Zalman die “Weltbewegung gegen Rassenhass und Menschennot” gegründet, die unter dem Namen “Harand-Bewegung” bekannt wurde und bis 1938 mehrere tausend Mitglieder in vielen europäischen Staaten hatte. Ihr Buch verlegte sie auf eigene Kosten und es erschien bald auch in englischer und französischer Sprache. Den Nationalsozialisten war das natürlich alles andere als Recht.

1938, nach der der Annexion Österreichs an das Dritte Reich, wurde ein Kopfgeld von 100.000 Reichsmark auf Irene Harand ausgesetzt. Seit 1937 befand sie sich immer wieder auf Vortragsreisen in denen sie ihr Buch präsentierte und verweilte zu diesem Zeitpunkt in Großbritannien. Sie kehrte nicht nach Österreich zurück, sondern flüchtete in die Vereinigten Staaten.

Geschichte ist nicht nur schwarz oder weiß
Irene Harand wurde 1971 das Goldene Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich verliehen und von der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem als “Gerechte unter den Völkern” ausgezeichnet. Jener Gemeindebau in der Inneren Stadt wurde 1990 nach ihr benannt und 2008 wurde ihr der Platz vor der Paulanerkirche an der Wiedner Hauptstraße gewidmet. Dennoch wird ihr Name nicht im gleichen Atemzug mit Widerstandskämpfern wie Franz Jägerstätter oder Sophie Scholl genannt. Obwohl auch Irene Harand eine überzeugte Katholikin war, war sie ebenso Monarchistin und sie war eine Anhängerin des austro-faschistischen Ständestaats und verteidigte die totalitäre Haltung dieser Regierungen. Gegen antisemitische Strömungen innerhalb des Austrofaschismus trat sie aber ebenso vehement ein. Vielleicht ist das einer der Gründe, warum Irene Harand nicht so oft als Widerstandskämpferin genannt wird und kaum jemanden bekannt ist.

Mehr über Irene Harand und viele andere Frauen können Sie im Zuge der Tour “Starke Frauen” erfahren.