“Österreich ist frei!” – Die Symbole des österreichischen Wiederaufbau nach 1945
Am 26. Oktober feiert Österreich seinen Nationalfeiertag. Mit der Unterzeichnung des Staatsvertrags der alliierten Mächte am 15. Mai 1955 war das Land nach einer 10-jährigen Besatzungszeit nach Ende des Zweiten Weltkriegs wieder zu einem freien Staat geworden. Mit sehr viel Stolz aber auch einer gewaltigen Portion Erleichterung in seiner Stimme verkündete Außenminister Leopold Figl im Prunksaal des Schloss Belvedere: “Österreich ist frei!” Und eine tosende Menge jubelte ihm zu.
17 Jahre zuvor, am 15. März 1938 stand eine jubelnde Menge auf dem Wiener Heldenplatz und empfing Adolf Hitler unter ohrenbetäubenden Applaus und frenetischen “Sieg Heil”-Rufen, als er den Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich verkündete. Dass dieses schreckliche Regime die Menschen ins Verderben führen sollte, wollten die Menschen damals nicht sehen. Sie sollten ihre Entscheidung für den Nationalsozialismus wenige Jahre später bitter bereuen.
Aus heutiger Sicht ist es leicht darüber zu urteilen, dass sich die Menschen 1938 nicht richtig verhalten und falsch geurteilt haben. Kaum jemand von uns kann aber wissen, wie er oder sie selbst damals reagiert hätte. Unsere Aufgabe heute ist, die Anfänge zu unterbinden und etwas derart Schreckliches nicht mehr zuzulassen.
Als Fremdenführer ist es möglich dieser Aufgabe nachzukommen und Aufklärungsarbeit zu leisten. Geht man heute durch die Gassen und Straßen Wiens, kann man fast gar nicht glauben, wie groß die Zerstörung nach den Kriegsjahren gewesen ist. Auf meinen Spaziergängen erzähle ich meinen Gästen auch vieles über diese düstere und traurige Zeit. Und irgendwann ist mir aufgefallen, wie oft ich erkläre, dass bestimmte Gebäude oder Sehenswürdigkeiten im Zweiten Weltkrieg fast vollständig zerstört wurden, nach dem Krieg aber schnell wieder aufgebaut wurden und heute “ein Symbol für den österreichischen Wiederaufbau in der Nachkriegszeit” darstellen.
Das Schloss Schönbrunn und die Albertina, beide wurden durch Bombentreffer schwer beschädigt. Als beim letzten großen Luftangriff am 12. März 1945 das Opernhaus getroffen wurde, wurde auch der unmittelbar daneben liegenden Philipphof zerstört. Viele Menschen hatten hier im Keller Schutz gesucht. Noch heute liegen die Bombenopfer hier begraben, da man es in den Wirren des Krieges nicht geschafft hat alle Leichen zu bergen. Auch von einem der bekanntesten Wahrzeichen der Stadt, dem Wiener Riesenrad, blieb nach dem Krieg nahezu nur ein Skelett übrig. In Windeseile wurde alles repariert und wieder aufgebaut, das Schloss Schönbrunn ist heute mit durchschnittlich 3,7 Mio. Besuchern im Jahr die meistbesuchte Sehenswürdigkeit Wiens. Und auch das Riesenrad dreht sich weiterhin.
Ein ganz besonderes Beispiel des Wiederaufbau ist der Wiener Stephansdom. Der Steffl wurde nicht durch eine Bombe zerstört. Eigentlich hatte der Stephansdom wenige Tage vor Kriegsende noch eine ganz besondere Episode unbeschadet überstanden. Während der Schlacht um Wien konnten Widerstandskämpfer den Südturm erklimmen und es wurde eine weiße Fahne als Zeichen der Kapitulation gehisst. Daraufhin erhielt der Wehrmachtshauptmann Gerhard Klinkicht den Befehl den „… Dom zunächst mit 100 Granaten in Schutt und Asche zu legen. Sollte das nicht ausreichen, ist bis zu seiner völligen Zerstörung weiterzuschießen.” Manche Quellen behaupten sogar, dieser Befehl wäre von Adolf Hitler höchstpersönlich erteilt worden.
Befehlsverweigerung galt im Dritten Reich als Hochverrat und auf Hochverrat stand die Todesstrafe. Aus moralischen Gründen aber verweigerte Hauptmann Klinkicht den Befehl und keine Granate traf den Dom. Wie durch ein Wunder, überlebte er seine Entscheidung. Dem Dom jedoch wurde ein anderes Schicksal zuteil und letztlich brannte er in den letzten Kriegstagen nahezu vollständig aus, nachdem Plünderer in benachbarten Kaufhäusern Feuer gelegt hatten und das Feuer auf den Dachstuhl des Wiener Wahrzeichen übergesprungen war. Löschwasser war nicht vorhanden, und die Wiener mussten hilflos zusehen, wie das Wahrzeichen ihrer Stadt ein Raub der Flammen wurde.
Jedermann und Jederfrau konnte nach 1945 am Wiederaufbau des Doms mithelfen. Es gab die sogenannte “Dachziegelaktion”. Dabei konnte jeder für 5 Schilling einen Dachziegel “spenden”. Und für einen Schilling konnte man einen Stephansgroschen erwerben. Im Jahr 1960 war der Wiederaufbau des Doms offiziell abgeschlossen. Seither spricht man von Restaurierungsarbeiten, die bei dem anfälligen Material, aus dem der Stephansdom besteht, leider ständig notwendig sind.
Und Hauptmann Gerhard Klinkicht? Er blieb dem Dom Zeit seines Lebens treu verbunden und spendete in regelmäßigen Abständen Geld für Restaurierung und Instandhaltung der berühmten Kirche, die er gerettet hatte. So auch kurz vor seinem Tod im Jahr 2000 als er Dr. Kardinal Christoph Schönborn einen Scheck im Wert von EUR 70.000 überreichte. Insgesamt hat er über sein ganzes Leben hinweg dem Dom rund EUR 150.000 gespendet. Eine Gedenktafel im Dom erinnert uns an ihn und seine Tat. Und es erinnert uns auch daran, dass im Zweiten Weltkrieg manche Menschen schlussendlich doch auch richtige Entscheidungen getroffen haben.