Das Riesenrad – und es dreht sich immer noch!
Das Wiener Riesenrad zählt heute zu den bekanntesten und bemerkenswertesten Wahrzeichen Wiens. Als gebürtige Wienerin schlägt mein Herz für das Riesenrad seit ich denken kann. Und als Fremdenführerin wollte ich es natürlich unbedingt in meinem Logo verwenden. Voila!
Aber als das Riesenrad 1897 fertig gestellt wurde, ahnte wohl niemand, dass es sich 120 Jahre später immer noch drehen würde. Zwischenzeitlich war es enteignet, versteigert, arisiert und restituiert worden. Es brannte ab und es wurde wieder aufgebaut. Und es sollte abgerissen werden.
Eigentlich war es als Attraktion anlässlich des Goldenen Thronjubiläums von Kaiser Franz Joseph im Jahr 1898 errichtet worden. Bereits ein Jahr davor wurde es am 3. Juli 1897 eröffnet. Eine Fahrt kostete zum damaligen Zeitpunkt 8 Gulden. Zum Vergleich: ein Beamter verdiente damals im Monat durchschnittlich 30 Gulden. Kaum jemand konnte oder wollte die Kosten für eine Fahrt aufbringen. Aufsehen erregte die Wienerin Marie Kindl, die sich 1898 während der Fahrt an einem Seil, welches sie zwischen ihren Zähnen festhielt, aus einem der Fenster hing. Sie wollte damit auf ihre soziale Not aufmerksam machen. Und im Jahr 1914 drehte die Zirkusdirektorin Madame Solange d’Atalide eine Runde mit dem Riesenrad – außerhalb der Gondel auf einem Pferd sitzend.
Das ursprünglich belächelte Stahlwerk wurde von den Wienern und Wienerinnen nach Ende des 2. Weltkriegs rasch wieder aufgebaut und es wurde damit auch zu einem Symbol des Wiederaufbaus. Da man befürchtete, dass die Stabilität unter dem Brand gelitten hatte, fährt das Riesenrad auch heute nur mehr mit der Hälfte an Gondeln, nämlich 15 Stück. Aus Kostengründen wurden beim Wiederaufbau auch nur vier statt der ursprünglichen sechs Fenster in die Gondeln eingebaut. Glas war in der Nachkriegszeit Mangelware. Erst vor einem Jahr wurden die Waggons durch neue ersetzt. Diese sind wieder mit sechs Fenstern versehen. Das wiederaufgebaute Riesenrad wurde 1953 an die rechtmäßigen Erben von Eduard Steiner restituiert. Es gehört heute der Rechtsanwältin Dr. Dorothea Lamac, die es gemeinsam mit ihrem Cousin Hans-Peter Petritsch besitzt. Das Wiener Riesenrad gehörte zu keinem Zeitpunkt der Stadt Wien, sondern befand sich immer in Privatbesitz.
Heutzutage können Sie nicht nur einfach eine Runde mit dem Riesenrad fahren und die Aussicht auf Wien genießen. Sie können Waggons exklusiv anmieten, um darin zu brunchen, ein Business Meeting abzuhalten oder: sie heiraten! Auch das ist möglich.
Der einzigartige Charakter des Wiener Riesenrads blieb auch Hollywood nicht lange verborgen. Bereits 1949 wurde die Schlüsselszene für “Der dritte Mann” im Wiener Riesenrad gedreht. Und Timothy Dalton fuhr 1987 mit Maryam d’Abo eine Runde im Bond-Klassiker “Der Hauch des Todes”.
Heute ist das Wiener Riesenrad mit einer Höhe von lediglich rund 65m alles andere als riesig. Immerhin war es jedoch bis 1985 das höchste Riesenrad der Welt, bis es vom Technocosmos in Japan abgelöst wurde. Verglichen mit dem London Eye, welches etwa doppelt so groß ist, erscheint es winzig. Jedoch: es ist das älteste noch im Betrieb befindliche Riesenrad der Welt.